Fleisch mit Verantwortung: Wie nachhaltige Weidetierhaltung Artenvielfalt fördert

Warum unsere Rinder mehr als nur Nutztiere sind

Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Tiermedizinstudenten und Landwirts

Im Jahr 2016 erwarb unsere Familie fünf Highlandrinder – der Beginn eines Lebensprojekts, dessen Bedeutung sich erst mit der Zeit vollständig erschloss. Ich war damals Schüler in der elften Klasse, auf dem Weg zum Abitur, doch ein Großteil meiner Freizeit gehörte schon jetzt draußen den Tieren, den Weiden und der Jagd. 

Wir hatten schon immer mal ein oder zwei Kühe bei uns, eher unregelmäßig, meistens als Patienten aus der Tierarztpraxis meiner Mutter, die aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht mehr wirtschaftlich waren. Und das soll keineswegs bedeuten, dass die Landwirte sie leichten Herzens abgegeben haben, geschweige denn wollten. Sie standen dann unten auf unserem Hof oder auf den Schafweiden. Schafhaltung vervollständigt unser Konzept einer naturnahen Landschaftsnutzung.

Mit fünf robusten Highlandrindern veränderte sich jedoch Vieles: Die Tierhaltung wurde komplexer, größer und – nachhaltiger. Wir pachteten zusätzliche Flächen und entwickelten eine klare Vorstellung von extensiver Weidetierhaltung: Schutz durch Nutzung. Unser Ziel war und ist es, den ökologischen Wert unserer Flächen zu steigern – etwa durch die Pflege alter Streuobstwiesen oder die Rücksichtnahme auf wildlebende Tiere. Denn eines ist klar: 

Passivität ist kein nachhaltiger Ansatz!

Offene, beweidete Flächen zählen zu den artenreichsten Biotopen unserer Kulturlandschaft. Für eine andere landwirtschaftliche Nutzung sind diese klein parzellierten Stücke nicht geeignet – sie sind stark nivelliert, oft schwer zugänglich und bestehen überwiegend aus mageren Böden. Wirtschaftlich sind sie somit für den Landwirten tendenziell unattraktiv – genau dort liegt ihr ökologischer Wert.

Ich bin überzeugt: Unsere Mutterkuhherde leistet aktiven Naturschutz. Doch damit stellt sich auch eine größere Frage: 

Wie stark unterscheiden sich eigentlich Naturschutz und Klimaschutz? Was verbindet sie?

Unsere Herde ist mittlerweile auf bis zu 18 Tiere angewachsen – und jedes einzelne davon trägt zu Biodiversität und gesunden Ökosystemen bei. Jeder Kuhfladen auf der Weide wird zur Oase des Lebens: Mehrere Tausend Insektenindividuen finden sich darin, hunderte Arten im Boden darunter – von den flüchtigen Gästen wie Fliegen und Faltern ganz zu schweigen. Diese Biomasse an Insekten ist essentiell als Grundlage für das Überleben unserer heimischen Vogelwelt. 

Weidetiere können also weit mehr als Methan produzieren – sie sind Motoren des Artenschutzes. Sie fördern Vielfalt, wo Monokulturen sie verdrängen. Unsere bunt gemischte Herde – Highland, Galloway, Hereford, Limousin, Braunvieh – bringt dabei unterschiedlichste Vorlieben und Körpergewichte mit. So wird die Grasnarbe differenziert genutzt, und für uns optisch unschöne Trampelpfade werden zu ökologischen Hotspots: Insektenspielplätze mit freier Erde, Wärme und Struktur. 

Übrigens: Nur Moore binden mehr Kohlenstoff als gepflegtes Weideland. Und auch in puncto Wasserspeicherung steht Weideland an zweiter Stelle.

Auch das Tierwohl ist für uns ein wichtiger Aspekt– allerdings nicht im Sinne eines romantisierten Landidylls. Unsere Tiere leben das ganze Jahr über draußen. Im Winter bedeutet das: kein warmer Stall, – stattdessen Frischluft, viel Platz und ein stabiles Immunsystem (ein windgeschützter Unterstand steht zu Verfügung). Wer das erleben will, sollte einmal im Februar auf einer verregneten Weide stehen, wenn die Herde im Matsch an der Heuraufe frisst. Kälte ist für Rinder weit weniger herausfordernd als feuchte Witterung oder Hitze. Das Leben in der Natur ist ehrlich, nicht immer hübsch – aber es entspricht dem Wesen dieser Tiere.

Unsere Kälber wachsen mit ihren Müttern auf, leben im Familienverband – und nur im Falle einer Erkrankung, kommen sie heim in den Stall. Idealweise sehen sie nie einen Stall von innen. Wenn der Tag kommt, an dem wir uns entscheiden, ein Rind zu schlachten, geschieht das so stressfrei wie möglich: Bei uns auf der Weide, mit Genehmigung des Veterinäramts, per Weideschuss. Das Tier kennt uns, wie auch den Traktor, der sonst frisches Heu bringt. Es bekommt, wie jeden Tag, ein Brötchen aus der Hand. Es fällt im Knall. Ohne Treiben, ohne Lebendtransport. Unmittelbar anschließend wird das Tier rund einen Kilometer zu unserem Hof gebracht, wo das Fleisch nach zweiwöchiger Reifung verarbeitet wird.

Geburt, Leben und Tod sind somit fester Bestandteil unseres Alltags.


Fazit:

Fleisch ist nicht per se umweltschädlich.
Nachhaltige Weidetierhaltung kann Artenvielfalt fördern, Kohlenstoff binden, Böden verbessern – und vor allem: Sie kann Tieren ein artgerechtes Leben und einen respektvollen Tod ermöglichen.

Ich glaube fest daran: Wenn wir Verantwortung übernehmen, wenn wir zuhören, lernen und bereit sind, uns kritischen Fragen zu stellen – dann kann Landwirtschaft Teil der Lösung sein. Nicht das Problem.


Autor: Falk Seifert

Tiermedizinstudent (6. Semester), Leipzig